Rede Berthold Keunecke

Ukraine- Rede 17.2.22

Liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde,

 wir treffen uns hier anlässich des Starts von Münchener Sicherheitskonferenz und Münchener Friedenskonferenz am morgigen Freitag. Die Sicherheitskonferenz tagt hinter Absperrgittern und von schwerbewaffneter Polizei bewacht, die Friedenskonferenz lädt zu einer offenen Diskussion, die im Internet verfolgt werden kann – sicher lohnenswert!

  Hier werden eben auch unterschiedliche Denkweisen sichtbar: Vertrauen wir auf Rüstung und Militär, das uns den Frieden sichern soll, oder:  sind wir bereit für Konfliktbearbeitung in Austausch und Gespräch, zu Verhandlung und Kompromiss?

Wohin uns die Sicherheitslogig der Militärs führt, sehen wir jetzt in dem Truppenaufmarsch in und vor allem rund um die Ukraine. Dass da täglich in unseren Nachrichten berichtet wird, ist nicht gerade ein Zeichen von Frieden und Sicherheit. Es droht wieder Krieg, und keiner weiß, bis wohin der eskalieren wird, wenn es richtig losgeht.

 Dabei ist es ja nicht so, als herrsche Frieden in der Ukraine. Es wird geschossen, mit NATO- und mit russischen Waffen. Es gibt ein Waffenstillstandsabkommen, das durch UN – Beschluss sogar in den Rang des Völkerrechts gehoben wurde – aber das Minsk 2- Abkommen wird nicht umgesetzt. Das liegt unter anderem daran, dass die Großmächte Russland und USA dahinter stehen. Das Völkerrecht wurde von den Großmächten inzwischen ergänzt – durch das Recht des Stärkeren. Vor allem auf Betreiben der NATO, die 1999 völkerrechtswidrig Serbien angegriffen haben. Dann im Irak, in Afghanistan, in Libyen, in Syrien … Rußland hat nachgezogen und u.a. die Krim annektiert. Wenn wir hier demonstrieren, sagen wir auch dazu: NEIN! 

Wir treten ein für Verhandlungen statt Krieg! Auch in der Ukraine. Aber wie? Die Interessen müssen offengelegt und ausgehandelt werden. Damit komme ich zu der Frage nach den tieferen Gründen dieses Konfliktes.

Es wird bei uns immer wieder gefragt: Was geht in Putins Kopf vor? Insofern eine gute Frage, weil es natürlich gut ist, die Interessen einer Konfliktpartei zu ergründen.  Diese Frage tut aber auch so, als gäbe es da nur diese eine Konfliktpartei, als würde die andere Seite, die NATO, nur passiv alles über sich ergehen lassen.  Ich möchte beide Seiten anschauen und sehe: Es geht um Machtpolitik und um die Wirtschaft.

  Machtpolitik: Nach dem Ende des Warschauer Paktes hat sich die NATO nicht aufgelöst, sondern sogar erweitert. Polen hat mit der Solidarnosc vor 40 Jahren gezeigt, was gewaltfreie Bewegungen erreichen können – heute vertraut die polnische Regierung auf amerikanische Waffen.  Die baltischen Staaten z.B. haben sich mit gewaltfreien Aufständen aus der Sowjetunion gelöst – heute öffnen sie sich für NATO- Panzer. Das verschärft die Ängste in Rußland – die Erinnerung an den 2. Weltkrieg mit seinen schrecklichen Opfern ist und wird da lebendig. Natürlich kann jedes Land um Aufnahme in die NATO bitten, aber dieser Bitte muss ja nicht unbedingt entsprochen werden.

Russland sagt jedenfalls an dieser Stelle: Halt. Auf eine sehr drastische und gefährliche Weise sagt es Halt. Der Krieg in Georgien und in der Ukraine hindern ja die Staaten daran, NATO- Mitglied zu werden. Aber vermutlich werden diese Länder da auch einfach akzeptieren müssen, das nicht alles möglich ist.  Denn wer das nicht akzeptiert, akzeptiert den Krieg als Mittel der Machtpolitik. Dagegen demonstrieren wir heute!

Das andere ist die Wirtschaft: Da hoffe ich, dass Europa hier mehr Einigkeit entwickelt, die USA auch mal in ihre Schranken zu weisen. Denn wirtschaftlich ist klar: Russland ist für Europa ein wichtiger Markt und ein rohstoffreiches Land, das Gas und Öl exportiert. Das wollen die USA nun auch verstärkt, seit sie mit der Frackingmethode neue Vorkommen erschlossen haben. Dies Gas wollen sie gern nach Europa verkaufen. Dreckiges Gas, denn das Fracking verursacht massive Umweltschäden – und dies Gas muss tiefgekühlt mit Tankern über den Atlantik gebracht werden. Demgegenüber liegt da eine Gasleitung in der Ostsee, die fertig ist. Ökologisch wäre das USA- Gas eine Katastrophe, aber die Grünen scheinen im Moment so amerika-freundlich zu sein, dass sie das akzeptieren, oder sei meinen, ohne die Ostseepipeline könnten wir durch die Ukraine weiterhin Gas beziehen.
Aber: die einzige Möglichkeit, die Inbetriebnahme von Nord-Strema 2 zu verhindern, scheint ein Krieg zu sein. Schon jetzt kämpfen ja russische Soldaten bei den Separatisten im Donbass.  Eine Steigerung, vor der immer gewarnt wird, wäre ein richtiger Krieg.  Wenn es aber zu dem Krieg kommt, wird auch die Durchleitung durch die Ukraine zum Problem. Das Gas wird in unsere Heizungen aber die nächsten Jahre noch ziemlich viel gebraucht werden. Das wird ein Grund sein, dass unser Bundeskanzler in Washington keine Zusage gegeben hat, dass im Fall eines Krieges das Nord-Stream 2- Projekt zu beenden – und da bin ich ihm sehr dankbar. Wenn er diese Zusage gegeben hätte, wären die wirtschaftlichen Interessen an einem Krieg ja noch gewachsen.

Ja, ich halte es für möglich, dass es in den USA Leute gibt, die so einen Krieg herbeisehnen, aus wirtschaftspolitischen Gründen – auch wenn das mehr als gefährlich ist, ein Spiel mit dem Tod.

Ich vermute, dass das ein Grund war, warum die USA ihre Soldaten aus der OSZE abgezogen haben – und ich vermute, dass im Moment viele Gespräche laufen, ob nicht alle westlichen Länder abziehen sollten. Noch hat unser Land das nicht getan. Darum unsere Forderung: Lasst die OSZE im Land! Sie bietet die Alternative zum Krieg. Ohne unabhängige Beobachter werden die Vorwürfe nach Waffenstillstandsverletzungen massiv werden, und keiner kann sie mehr überprüfen. Es gibt eigentlich keinen Grund für den Abzug der Amerikaner: Schließlich hat es keinen Angriff gegeben, sogar die Zusicherung Rußlands, dass sie die Grenzen respektieren. Die Aufgabe der OSZE ist jetzt wichtiger denn je, und ungefährlich war sie natürlich nie, immerhin wird seit Jahren in dem Gebiet scharf geschossen.

Deshalb, liebe Freundinnen und Freunde: Wenn ihr die Möglichkeit habt, irgendwo für den Erhalt der OSZE- Mission zu werben, nutzt das!

 Ich muss als Beispiel immer wieder an den Kosovokrieg, den Krieg der NATO gegen Serbien 1999 denken.  Hans Loquai, der damals als Brigadegeneral für die OSZE- Mission gearbeitet hat, hat beschrieben, wie die OSZE da ausgebootet wurde. Sie musste das Land verlassen, obwohl ihre Mission weitgehend erfolgreich verlief. Aber die NATO entschied sich für den Krieg, und deshalb musste die OSZE weichen. Es war der erste echte Krieg in Europa seit 1945, und er wurde bewußt ohne völkerrechtliches Mandat geführt, als eine Demonstration der Stärke.

Inzwischen sind die Verhältnisse ganz anders geworden – aber die Gefahr, Krieg als Mittel der Politik zu nutzen, ist weiterhin gegeben. Nur, dass es heute wieder viel gefährlicher ist.

FORDERUNG ukrainischer Friedensgruppen

Wir fordern eine sofortige friedliche Beilegung des bewaffneten

Konflikts in der Ostukraine um Donezk und Luhansk auf dieser Grundlage:

           1) Absolute Einhaltung eines Waffenstillstands durch alle

pro-ukrainischen und pro-russischen Kombattanten und strikte Einhaltung des Maßnahmenpakets zu Minsk 2.

2) Abzug aller Truppen, Einstellung aller Lieferungen von Waffen und militärischer Ausrüstung, Einstellung der vollständigen Mobilisierung der Bevölkerung für den Krieg, Einstellung der Kriegspropaganda und der Feindseligkeit zwischen den Bevölkerungsgruppen in den Medien und sozialen Netzwerken;

3) Führung offener, inklusiver und umfassender Friedens- und

Abrüstungsverhandlungen im Format eines öffentlichen Dialogs zwischen allen staatlichen und nichtstaatlichen Konfliktparteien unter Beteiligung friedensfördernder zivilgesellschaftlicher Akteure;

4) Verankerung der Neutralität unseres Landes in der Verfassung der Ukraine;

5) Gewährleistung des Menschenrechts auf Wehrdienstverweigerung aus Gewissensgründen

Krieg ist ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Deshalb sind wir entschlossen, keinerlei Krieg zu unterstützen und uns um die Beseitigung  aller Kriegsursachen zu bemühen.