Am 29.05.2025 hat Angelika Claußen beim Konzert des Bielefelder Oratorienchors eine Rede zu ihrem Friedenskonzert gehalten.
In der Pause wurden auch Unterschriften für den Bielefelder Friedensappell gesammelt.
Rede Oratorienchor 29.05.2025
Verehrtes Publikum. Wir sind heute zusammengekommen, weil wir auf Frieden und auf Ermutigung hoffen, durch die Musik zweier großer Komponisten, Frank Martin und Anton Bruckner.
Es gibt viele viele gute und starke Friedenslieder, so wie das Lied „Prayer of the Mothers“, das tausende von israelischen und palästinensischen Frauen gesungen haben bei ihrem Friedensmarsch im Oktober 2014, nach dem Gazakrieg 2014 im Sommer. Der Marsch endete mit einem gemeinsamen jüdisch-muslimischen Gebet für den Frieden von 4.000 Frauen in Qasr el Yahud am nördlichen Ende des Toten Meeres.
Der aktuelle Krieg auf Gaza ist extrem brutal und blutig, schon jetzt verhungern tausende Menschen, vor allem Kinder. Wann werden Israelis und Palästinenserinnen endlich gemeinsam das Friedenslied, Prayers oft he Mothers“ singen können?
Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine dauert nun schon mehr als drei Jahre an. Auch er hat das Leben von Zigtausenden Menschen in der Ukraine zerstört. Über die Zahl der getöteten und schwer verletzten Soldaten schweigen beide Seiten. In seinen Verhandlungen hat der amerikanische -Präsident seine Geschäftsinteressen für die Weltöffentlichkeit offengelegt. Ihn wie auch dem russischen Präsidenten scheint Frieden kaum zu interessieren. Wie lange noch sollen so viele unschuldige Menschen sterben? Wo das Ende des Ukrainekriegs immer noch nicht absehbar ist.
Die aktuelle Frage lautet: Wie werden Kriege beendet?
Das Friedensgutachten 2023 sagt: Nur 20 % aller zwischenstaatlichen Kriege enden mit einem Sieg oder einer militärischen Niederlage, sowie der zweite Weltkrieg.
Aber 80 % der Kriege werden durch Gespräche für Waffenstillstandsabkommen, u.U. auch mit regelrechten Friedensverhandlungen beendet. Allerdings braucht es für Friedensverhandlungen immer noch eine zweite Komponente, wie der Historiker Jörn Leonhard erklärt. Es braucht einen starken Vermittler. Wie z.B. im Zerfallskrieg von Jugoslawien. Damals nahmen die USA diese Rolle ein.
Aber im Krieg zwischen Russland und der Ukraine fehlt ein solcher starker Vermittler. Die USA und Europa sind ebenso wie China zwar nicht unmittelbar, aber doch mittelbar in den Konflikt involviert. Also müsste es auch auf dieser Ebene zu einer Einigung kommen. Zudem zeigt die Erfahrung auch, dass Kriege, die nicht innerhalb der ersten 12 Monate beendet werden, mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einem langen Krieg werden, durchschnittlich 10 Jahre. Und Verhandlungen zu Waffenstillstand und Frieden können ebenfalls lange dauern.
Meine Botschaft als Friedensaktivistin ist: Behalten Sie trotz allem Hoffnung und Mut. Ja es sind schwierige Zeiten. Doch es kommt auf uns Menschen an, auf die Zivilbevölkerung. Wir alle sind gefragt, die gegenwärtigen Krisen, die Multikrise, in der die gesamte Welt steckt. Wir alle sollte die Multikrise als Chance für Frieden zu begreifen. Zukunft für Frieden und für ein Miteinander der Menschen und der Völker gibt es nur gemeinsam, mit Kooperation. Auch die Klimakrise ist Teil der gegenwärtigen Multikrise. Und wir wissen genau: Ohne Frieden lässt sich die Klimakrise nicht eindämmen. Und ohne die Klimakrise an der Wurzel zu packen, mit allen Beteiligten in Konflikten über Wasser und Ressourcen zusammen zu arbeiten, kann es keinen Frieden geben.
Die Lehren aus dem zweiten Weltkrieg für Europa, für Deutschland heißen Versöhnung, Kooperation, Abrüstung und Rüstungskontrolle als erster Schritt dazu. Wir Menschen waren es, die die Politik zu Abrüstung und Kooperation gedrängt haben. Mit vielen kleinen Initiativen für Versöhnung, gegen die Wiederbewaffnung, gegen die Atombewaffnung. Jede noch so kleine Tat von jedem einzelnen für den Frieden zählt. Erinnern wir uns: Die Verhandlungen in der Konferenz für Frieden und Zusammenarbeit begannen schon in den 70er Jahren, lange bevor Gorbatschow Generalsekretär der KPdSU wurde. Die Entspannungspolitik wurde nicht vor allem mit Gorbatschow verhandelt, sondern mit seinem Vorgänger Breschnjew. Auch jetzt, wenn vieles erst mal aussichtslos erscheint, weil die Autokraten der Welt so mächtig sind, braucht es ein Verständnis davon, dass Sicherheit, Rüstungskontrolle und Abrüstung nur gemeinsam erreicht werden können. Wie auch die Eindämmung der Klimakrise.
Unsere Vision von Zusammenarbeit hat Zukunft, nicht der endlose Krieg, nicht die endlose Aufrüstung. Sie, verehrtes Publikum, können viele kleine Dinge tun, z.B. eine Blume oder einen Baum pflanzen, zusammen Friedenslieder singen, unabhängig davon wie viel Vorbereitung für einen Krieg geplant wird. Das alles sind die wichtigen Dinge unseres Alltags. Wir brauchen den Frieden wie die Luft zu atmen. Und diese Botschaft schicken wir an die Regierenden, die Politiker:innen, die führenden Militärs, wo und wie immer wir es können. Wir wollen Frieden und wir wollen friedensfähig bleiben statt kriegstüchtig werden.
Eine Anregung für unsere Stadt Bielefeld: Bielefeld hat mit uns Bürgerinnen und Bürgern Städtepartnerschaften aufgebaut, mit der ukrainischen Stadt Tscherkassy und der russischen Stadt Nowgorod, mit der der israelischen Stadt Nahariya und mit der palästinensischen Stadt Dschenin. Diese Partnerschaften wollen wir beleben, weiterführen, so wie wir es können. Das ist eine klare Absage an Feindschaft. Wir wehren uns dagegen Feinde zu sein!
Was Sie heute tun können? Im Foyer liegt der Bielefelder Appell für Frieden, den Sie mitzeichnen können. Als Bürgerin und Bürger unserer Stadt. Der Appell setzt ein Zeichen an den Rat der Stadt Bielefeld und an die Regierungen in Deutschland und Europa, damit – ich zitiere- „das Töten und die Eskalation von Konflikten aufhören“, damit „Waffenstillstandsbemühungen und die Suche nach Verhandlungslösungen“ endlich konsequent verfolgt werden“ von allen am Krieg beteiligten Regierungen. Bleiben wir friedensfähig statt kriegstüchtig.