Rede Martin Kolek

Ostermarschierende,  – liebe Ostermarschierende!

Gerne habe ich die Anfrage, beim Ostermarsch in Bielefeld etwas zu sagen angenommen:

Ich wurde eingeladen, auch weil ich 2016 auf der Sea-Watch 2 und  2018 auf der Sea-Watch3 im Einsatz war: – dort wurden wir auf Malta geblockt. Nichts war schlimmer für mich, als nach einer langen Vorbereitungszeit und Koordination und Aufwand mit einer fitten Crew vorsätzlich  daran gehindert wurden, Hilfe zu leisten. Alle Rettungsschiffe von Iuventa, Sea-Watch, life-line, Ärzte ohne Grenzen, wurden gezwungen, an Land zu bleiben. Europa?  Insofern war ich froh, als mich vor etwa 1, eineinhalb Wochen die Anfrage erreichte, auf einem Segelschiff als Co-Skipper ins SAR Gebiet zu segeln. Ich konnte wirklich nicht anders, als zuzustimmen. Ich befinde mich also, wenn der Ostermarsch in Bielefeld stattfindet, in den Gewässern vor Libyen, soweit das Wetter und die politische Administration das zulässt.

Wir segeln mit einem 15 m Schiff im südlichen Mittelmeer.

Während parlamentarische Beschlüsse für mehr Aufrüstung plädieren, Milliarden Euro der Rüstungsindustrie in den A…-tomaren Wahnsinn zugeschoben werden und Rüstungsprojekte nicht mehr im sogenannten Verteidigungs- / militäretat, sondern im Wirtschaftsministerium verhandelt werden, wird doch eines vor Allem deutlich:

Gewalt ist kein Mittel, um Angst zu beruhigen, so verdeckt man es auch anstellt.

Angst lässt sich nicht mit Gewalt beruhigen.

 

Heute Abend wird es wieder in der Tagesschau heißen:

„Und wie jedes Jahr gingen heute wieder tausende Menschen auf die Straße, um für Frieden und Abrüstung zu demonstrieren. Die Ostermarschbewegung geht zurück auf die Friedensbewegung in den USA anlässlich des Vietnamkrieges.“

Ich sehe das anders: Was uns  hier zusammenbringt und motiviert ist natürlich ein gehöriger Protest und ein klares Nein zu Militarisierung unseres Alltags und des Alltags unserer Kinder!

Aber – wir sind mehr – wirklich viel mehr als eine Friedensbewegung in einem kleinen soziokulturellen oder historischen Moment.

Nie zuvor war auf diesem Planeten die Verknüpfung von Macht, Gewalt und Krieg so offensichtlich erkennbar wie heute. Der Komplex von Industrie, Militär und Staatsgewalt liegt offen-sichtlich erkennbar vor unseren Augen.

Und die uns umgebende Gewalt in Form moderner Technologie auch in Form von geregelter Öffentlichkeit und parlamentarisch beschlossener Missachtung von Menschenrechten ist spürbar.

Wie eine Übermacht sind wir umgeben von und in einem System, dem wir nicht einfach entrinnen könne. – Dafür wird gesorgt, – gut und schön:

Das Ausgeliefertsein an eine Übermacht haben Menschen auf diesem Planeten seit Jahrtausenden verspürt. Früher waren es Naturgewalten, Unwetter, Donner, Vulkanausbrüche, Erdbeben. Weltweit haben Menschen in Ritualen und Zusammenkünften den Beginn der Sonnenzeit als existentiellen Moment erkannt – sich der Zukunft zugewandt, sich an der Zukunft orientiert.

Denn sie wussten – die Sonnenzeit ist nicht reversibel. Sogenannte ´heidnische Bräuche` wie auch Ostern orientieren sich am 1. Vollmond im Frühling.

Ostermarschierende sind dem Licht, der Sonne zugewandt – einer lebendigen Realität unseres Daseins, vor aller Staatenbildung, bevor es überhaupt Menschen gab. Wir sind viele – im Wissen – nach der Zeit der Angst, der Angst vor Vernichtung, der Not und auch der eigene Engstirnigkeit, der begrenzten Horizonte, dem kulturellen Winter, – wird das Licht, wird die Sonne stärker sein.

Immer wieder:

´Lassen wir uns von der Zukunft abholen – jetzt beginnt unsere Zeit,  –  wir werden das kulturelle Eis, die neoliberal verkleidete Angst zum Schmelzen bringen.´

Das Licht ist auf unserer Seite.

 

Das sollte die Tagesschau bringen:

„Wie jedes Jahr haben sich Menschen versammelt im Willen zur Veränderung, aus der Fähigkeit zur Solidarität und zum Frieden. Sie gehören sich selbst, kein Staat kann sie kontrollieren. Sie stehen für planetarischen Frieden.“  Trump und Frau van der Leyen konnten nicht teilnehmen, ihre Frisuren saßen nicht korrekt.“ Fußball…bla bla

Ok ok ok – ich komme zurück zu den Tatsachen!

2016 war ich als sogenannter 1. Offizier, also zivil formuliert: offiziell Co-Skipper – auf der Sea-Watch 2, im Einsatz, dem Schiff des gleichnamigen Seenotrettungsvereins – und diese Bezeichnung ist eine rein formelle, für die Wirklichkeit an Bord waren wir als Crew verantwortlich. Und nur zusammen konnten wir bisher unbekannte Herausforderungen erkennen und handhaben. Ohne steuerliche Hilfen, ohne Zuschüsse, nur Freiwillige,  – an Bord gibt es keine Waffen.

Wir wurden am Morgen des 26. Mai zu einem sinkenden Holzboot gerufen. Es waren mehrere hundert Menschen an Bord.  Wir aber waren Stunden weit entfernt. Viele Menschen ertranken, viele konnten gerettet werden. Am Nachmittag markierten und bargen wir zusammen mit der italienischen Küstenwache die Leichen. Ich erinnere mich immer wieder ganz klar, wie ich die ertrunkenen Kleinstkinder im Arm hielt. Ich schaute sie an, – unsere Zukunft – und schaute auf das Meer und in den blauen Himmel. Ich dachte, alle sollten es sehen, – das hier war kein Unfall, – das hatte System.

Anscheinend waren wir ja ganz alleine – aber ich denke, es war anders:

Die Miltärmissionen EUNAVFORMED und Frontex haben mit Milliarden Zuschüssen und eben auch mit unseren Steuergeldern ein Kontingent an U-Booten, Schiffen, Drohnen, Flugzeugen und Satelliten  im Einsatz. Sie scannen und interpretieren lückenlos unter, auf und über Wasser, aus der Luft und von Satelliten das gesamte Seegebiet und auch die Küstenregion Nordafrikas.

Mittlerweile werden libysche Milizen mit EU Geldern finanziert und dieselben Milizen mit Marineschiffen beschenkt und dann werden sie im Polit-Jargon der EU und auch in Deutschland als „libysche Küstenwache“ veredelt. Dieselbe Miliz bekommt nun Zugang zum Echtzeit – Satelliten – Überwachungsprogramm mit dem verniedlichenden Tarnnamen „Seepferdchen“. Die nächsten Milliarden in das Frontex Überwachungsnetz sind veranschlagt. Aus unseren Steuern.

  1. Mai 2016: Es wurde gesagt, wir sind da ganz allein – Ich denke,- sie haben alles gesehen.

 

Seien wir realistisch:

Der kulturelle Winter, die Angst, die organisierte Kälte ist sehr einfallsreich, strategisch und parlamentarisch organisiert. Frau van der Leyen zelebriert in Weiss, als Frau eine soziokulturelle Vernichtungsmaschinerie. Deutsche Waffen finden ihren Weg zum Einsatz. – zielgenau, – bewährt,  -berechnet. Wir sind nur 80 Jahre und 100 Jahre weit entfernt vom Massenkrieg.  Der industriell-militärische neoliberale Komplex braucht den Krieg, er sucht die Möglichkeit zum Krieg – nicht mit uns! Nicht mit unseren Kindern!

Es werden Waffenlieferungskontingente diskutiert. Wir mit unseren Steuern- werden Waffen, wird der Krieg exportiert und selbstverständlich auch importiert.

In vielen Ländern dieses Planeten werden Männer wie selbstverständlich zum Kriegsdienst verpflichtet. Auch in Deutschland ist die sogenannte Wehrpflicht nur ´ausgesetzt`. Diejenigen, welche aus afrikanischen Staaten, korrupten Regimen, aus Afghanistan zu uns fliehen, weil sie nicht bereit sind, sich zum Kriegsschlachten missbrauchen zu lassen, wird hier kein Schutz gewährt! Denn Sie versauen das Geschäft!

Hochachtung und Schutz für Alle auf diesem Planeten, die desertieren. Sie Alle sind Ostermarschierende.  Schluss mit den Menschenschlachtereien zugunsten einer vielfrässigen, nimmersatten Waffenindustrie und neoliberalen Zuhältern und Zuhälterinnen.

Ich komme zurück zum Anfang:

Lassen wir uns aus der Zukunft abholen! Was sollen wir unseren Kindern und kommenden Generationen hinterlassen: natürlich Leben und Frieden und Licht!

  • Sofortige Abschaffung und nicht nur Aussetzung der sogenannten „Allgemeinen Wehrpflicht“ in Deutschland.
  • Keinen Cent ! für (Von-der-) leyenhafte Kriegsvergnügungsteuern!
  • Unbedingter Schutz von sog. „Deserteuren“.
  • Für umgehende Rüstungskonversion und Förderung internationaler Rüstungsblockaden!
  • Für faire Verfahren und in Bezug auf die Versorgung von aus Kriegsgebieten und Not fliehenden Menschen: Fähren statt Frontex.
  • Für das Licht, für die Kraft der Solidarität in uns: Wahlergebnisse, parlamentarische Beschlüsse auf welcher Ebene auch immer können uns Menschen nicht hindern. Wir können nicht anders. Das Licht, die Zukunft zieht uns an.

 

Ostermarschierende, liebe Ostermarschierende.

Ehrlich gesagt konnte ich mit ´Märschen` nie etwas anfangen, aber was ich als Musiktherapeut verstehe: Wir können leise sein, wir können hinhören.  Aber wir können und wir werden laut sein. Sehr laut.