Atomwaffen sind seit dem 22.1.2021 verboten!

Unter diesem Motto versammelten sich an diesem Tag ca. 60 Menschen vor dem Bielefelder Rathaus, um das Inkrafttreten des Atomwaffenverbotsantrages zu würdigen und von der Bundesregierung zu fordern, den Vertrag ebenfalls zu unterzeichnen.

Angelika Claußen

Es sprachen Angelika Claussen (IPPNW) und Berthold Becker von der Süsterkirchengemeinde Bielefeld. Friedrich Brünger trug ein von ihm leicht gekürztes und geändertes Brechtgedicht vor.

Rede von Angelika Claußen

Dem Atomwaffenverbotsvertrag beitreten – nukleare Aufrüstung Deutschlands stoppen!

Sehr geehrte Damen und Herren,

Wir leben in einer Zeit der multiplen Krisen: Nicht nur die Corona – Krise und die Klimakrise beschäftigen uns. Fast tagtäglich lesen wir Nachrichten über Kriege, Gewalt, Armut, Natur- und Umweltkatastrophen. Umso wichtiger ist es, dass wir diesen Nachrichten gute Nachrichten entgegensetzen: Ja es ist möglich, dass  wir Menschen,  Frauen wie Männer weltweit Kriege und Umweltkatastrophen, ja sogar Atomkatastrophen verhüten können! Das Wort verhüten ist Teil des ärztlichen, humanitären Handelns der IPPNW, der internationalen Ärzte zur Verhütung des Atomkriegs.  

2007 begann die internationale IPPNW, die atomkritische Ärzte- und Friedensorganisation, deren Deutschlandvorsitzende ich damals war, mit anderen Organisationen gemeinsam, die Kampagne zur Ächtung von Atomwaffen aufzubauen: ICAN. 

2017, 10 Jahre später, wurde ICAN, das mehr als 500 zivilgesellschaftliche Organisationen vertritt, mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Ein großer Meilenstein: Wir Menschen  hatten gerade die große Mehrheit der  UN-Staaten davon überzeugt, dass es endlich einen Vertrag geben muss, der Atomwaffen ächtet. Ein Vertrag, der endlich die Überzeugung der großen Mehrheit der atomwaffenfreien Staaten in geltendes Völkerrecht übersetzt, so wie es schon bei Biologischen und Chemiewaffen der Fall ist.

Und jetzt der nächste Meilenstein, der Atomwaffenverbotsvertrag tritt in Kraft. 51 Staaten sind dem Abkommen bereits beigetreten, weitere 37 Staaten befinden sich im Ratifizierungsprozess. Weitere 50 Staaten haben ihr Interesse an dem Vertrag bekundet.

Der Vertrag stellt einen Prozess dar, wo sich Zivilgesellschaft und Staaten gemeinsam für wirkliche Sicherheit einsetzen und die neun Atomwaffenstaaten auffordern, atomare Abrüstung, als Verpflichtung festgehalten im Artikel VI des Atomwaffensperrvertrags endlich wieder auf die Agenda auf die Tagesordnung zu setzen.

Die Corona-Krise  und die  Klimakrise machen uns allen klar, dass sich die Politik weltweit neuen Herausforderungen stellen muss: Atomwaffenstaaten und die NATO müssen Abschied nehmen vom nuklearen Wettrüsten und von nuklearer Abschreckung als  Sicherheitsdoktrin. Nukleare Abschreckung ist tödlich und zerstörerisch, sie zerstört und bedroht das Leben und die Gesundheit für alle Menschen auf unserem Planeten. Das haben wir aus den Studien zu den Klimafolgen eines auch nur begrenzten Atomkriegs gelernt.  Die  Ziele Sicherheit, Gesundheit und Klimaschutz gelten für alle Menschen auf unserem Planeten. Daher müssen  die eingesetzten Mittel auch dem Ziel entsprechen, militärisches Denken und Handeln steht dem entgegen. Sicherheitspolitik im Sinne von gemeinsamer Sicherheit muss als oberstes Ziel Prävention von Gewalt und Krieg haben. Das  beinhaltet politisches Handeln, das die Auswirkung des eigenen staatlichen  Handelns auf den Nachbarn und den Gegner miteinbezieht,  eine Politik, die  sich aktiv für friedliche Streitbeilegung und Aushandlung der zugrunde liegenden Interessen  einsetzt.  Wir appellieren hier also lediglich daran, dass Deutschland die schon lange verkündeten Regierungsziele von nuklearer Abrüstung (Außenminister Heiko Maas) auch umsetzt.

Was sind die mögliche,  realpolitische Schritte für Deutschland und Europa nach Inkrafttreten des Atomwaffenverbotsvertrags?

  1. Deutschland könnte erklären: wir teilen die Wahrnehmung der Mehrheit der UN-Staaten, dass nukleare Abschreckung gleichzusetzen ist mit Bedrohung. Wir versichern, dass wir langfristig auf eine Sicherheitspolitik der nuklearen Abschreckung  verzichten wollen.  Eine solche Sicherheitspolitik ist das Gegenteil von nachhaltig.
  2. Deutschland beginnt einen Dialog mit anderen europäischen Ländern der nuklearen Teilhabe (Belgien, Niederlande, Italien) und benennt Schritte, wie diese vier Länder die nukleare Teilhabe beenden können und wie dies mit konkrete Schritten neuer Entspannungspolitik kombiniert werden könnte, z.B. Rückkehr zum Iran-Atomabkommen, diplomatische Gespräche mit Russland und den USA über die Rückkehr zum Open – Skies –  Vertrag. Deutschland verabredet Schritte mit den Vier Teilhabestaaten, um gemeinsam die Rolle nuklearer Abschreckung in der NATO zu vermindern und entspricht damit dem Votum seiner jeweiligen Bevölkerung. Wiederholte Meinungsumfragen in diesen vier Ländern haben ergeben, dass eine Beendigung der nuklearen Teilhabe gewünscht wird.
  3. Deutschland kündigt eine Teilnahme als Beobachterstaat an den Staatenkonferenzen zur Überprüfung des AVV, die wahrscheinlich gegen Ende des Jahres stattfinden. Dieser Schritt  würde den Dialog mit den AVV-Staaten ermöglichen.
  1. Deutschland sagt den Kauf der nuklearwaffenfähigen Kampfbomber F – 18 ab, um sich  den Raum für eine neue nachhaltige Sicherheitspolitik zu geben.
Berthold Becker von der Süsterkirchengemeinde ermahnte mit eindringlichen Worten, aktiv zu werden und politische Entscheidungen und gesellschaftliche Fehlentwicklungen nicht als gegeben hinzunehmen. „Wir dürfen uns nicht daran gewöhnen!“

Das Gedächtnis der Menschheit

(Bert Brecht 1952, leicht gekürzt und geringfügig ergänzt, vorgetragen von Friedrich Brünger)                                    

Das Gedächtnis der Menschheit
für erduldete Leiden ist erstaunlich kurz.
Ihre Vorstellungsgabe für kommende
Leiden ist fast noch geringer.

Die Beschreibungen,
……………………..
von den Gräuel der Atombombe (gemeint sind Hiroshima und Nagasaki )
schrecken … anscheinend heute nur wenig. (hinzugefügt:)

Die weltweiten Schrecken der vierziger Jahre scheinen vergessen.
Der Regen von gestern macht uns nicht nass, sagen viele.

Diese Abgestumpftheit ist es,
die wir zu bekämpfen haben,
ihr äußerster Grad ist der Tod.
Allzu viele kommen uns schon heute vor wie Tote,
wie Leute, die schon hinter sich haben,
was sie vor sich haben, so wenig tun sie dagegen.

Und doch wird nichts mich davon überzeugen,
dass es aussichtslos ist,
der Vernunft gegen die Feinde beizustehen.
Lasst uns das tausendmal Gesagte immer wieder sagen,
damit es nicht einmal zu wenig gesagt wurde!
Lasst uns die Warnungen erneuern,
und wenn sie schon wie Asche in unserem Mund sind!
Denn der Menschheit drohen Kriege,
gegen welche die vergangenen wie armselige Versuche sind,
und sie werden kommen ohne jeden Zweifel,
wenn denen, die sie in aller Öffentlichkeit vorbereiten,
nicht die Hände gebunden werden. (im Original: zerschlagen)