Wie der Ukraine-Krieg die Zukunft der Menschheit gefährdet

Auszug aus dem Artikel von Fabian Scheidler:

06. März 2022

Fabian Scheidler ist freischaffender Autor für Printmedien, TV, Theater und Oper sowie Mitgründer des unabhängigen Fernsehmagazins Kontext TV.

Wird die Aufrüstung den Krieg in der Ukraine verkürzen

Das scheint zwar angesichts der schockierenden russischen Aggression auf den ersten Blick verständlich, doch drängen sich beim zweiten Hinsehen einige gravierende Fragen auf. Zunächst einmal die naheliegendste: Hilft dieses Geld für die Rüstung den Menschen in der Ukraine? Wird es den Krieg verkürzen?

Die Antwort lautet: höchstwahrscheinlich nicht, denn ein rasches Ende der Kämpfe kann nur durch Verhandlungen erreicht werden.

Macht es mittel- und langfristig Europa und die Welt sicherer?

Das ist zumindest sehr fragwürdig. Die Geschichte lehrt, dass Rüstungsspiralen die Wahrscheinlichkeit von großen Kriegen eher erhöhen. Beispiel Erster Weltkrieg: Großbritannien, Deutschland und Frankreich lieferten sich vor 1914 einen beispiellosen Überbietungswettbewerb militärischer Vernichtungskraft.

Am Ende genügte die regionale Krise um Serbien, um Europas „Schlafwandler“ in die bis dahin größte Katastrophe seiner Geschichte zu stürzen. Die Bündniskonstellationen rissen eine Nation nach der anderen mit in den Abgrund. All die Waffen hatten Europa nicht sicherer gemacht.

Die Präsenz von Atomwaffen fügt dem noch eine ganz andere Dimension hinzu. Ein nuklearer Schlagabtausch würde nicht nur die von den Bomben getroffenen Regionen der Nordhalbkugel unbewohnbar machen, sondern durch den folgenden nuklearen Winter auch die Landwirtschaft global zerstören und die Menschheit dadurch so gut wie ausrotten.

Man muss heute auch die Frage anfügen, warum denn ein Nato-Militärbudget von derzeit sage und schreibe 1,2 Billionen US-Dollar pro Jahr – das sind 60 Prozent der weltweiten Militärausgaben – nicht genügen soll, um Russland, das seinerseits lediglich über ein Budget von 62 Milliarden Dollar verfügt, davor abzuschrecken, Nato-Mitglieder anzugreifen.

Machen uns 1,5 Billionen Dollar wirklich sicherer? Hat der Ausgabenzuwachs in der Nato um 25 Prozent von 2014 bis 2021 und in der Bundesrepublik um gar 40 Prozent mehr Sicherheit gebracht und den Krieg in der Ukraine verhindert? Und wozu sind all die Atomwaffen gut, wenn selbst ihre Befürworter gar nicht daran glauben, dass die Abschreckung wirklich funktioniert?