Rede von Alexander Kalteis auf der Kundgebung des Bündnisses „Nein zur Wehrpflicht Bielefeld“ am 27.11.2025:

Mein Name ist Alexander Kalteis, ich bin 38 Jahre alt und engagiere mich regelmäßig bei Aktionen der Friedensinitiative Bielefeld und der Deutschen Friedensgesellschaft Vereinigter Kriegsdienstgegner*innen.
Ich bin ein einfacher, lohnabhängiger Mensch und Familienvater. Daraus schöpfe ich meine Motivation, mich für Frieden einzusetzen.
Denn es sind immer die lohnabhängigen Menschen, die sich im Krieg für die Interessen der herrschenden Klasse gegenseitig umbringen müssen.
Der Kampf für den Frieden ist immer Klassenkampf.
Es macht mich wütend zu sehen, wie unser Bildungs-, Gesundheits- und Sozialsystem für die Milliardeninvestitionen in das Militär und die Aufrüstung geschröpft wird.
Wie man die Zukunft unserer Kinder zerstört, da man lieber Geld in den Klimakiller Bundeswehr pumpt anstatt in einen sozial gerechten Klimaschutz zu investieren.
Und vor allem wie darüber geredet wird, unsere Kinder “kriegstüchtig“ zu machen und die sogenannten Jugendoffiziere der Bundeswehr wie die Aasgeier auf die Schulen schwärmen, um sie dort ungestört zu manipulieren und zu indoktrinieren.
Ich selbst bin ehemaliger Wehrdienstleistender und seit zwei Jahren anerkannter Kriegsdienstverweigerer.
Ich halte heute diese Rede, um euch ein bisschen von meinen Erfahrungen in diesen Bereichen zu berichten.
Die Bundeswehr hat zurzeit zahlreiche Kampagnen gestartet, um neue Rekruten zu ködern.
„Weil du es kannst”, ist einer ihrer aktuellen Werbeslogans. Ich bin der Meinung, die Friedensbewegung muss mit einer eigenen Kampagne gegensteuern.
Den genannten Werbeslogan könnte man zur Frage “Kannst du das wirklich?“ umformulieren, um verbunden mit entsprechenden Informationen endlich die brutale Realität von Kriegen in die Debatte hereinzuholen.
Etwa so:
Im realen Kriegseinsatz müsstest du als Soldat*In mit dem Standardsturmgewehr ein Geschoss vom Kaliber 5,56×45 mm mit einer Geschwindigkeit von 900 m/s, durch einen Menschen hindurch schießen.
Das Geschoss durchdringt und zerreißt das Gewebe und die Organe, es zertrümmert und bricht Knochen.
Du stanzt praktisch ein Loch in einen Menschen hinein.
Kannst du dir vorstellen, was das für Schmerzen sind?
Der Mensch stirbt an Schock oder Blutungen. Vielleicht überlebt er auch und muss für immer mit chronischen Schmerzen, Funktionsverlusten oder Verstümmelungen an Körper und Seele leben. Kannst du einem Menschen so etwas antun? Die Frage lautet: „Kannst du das wirklich?”
Oder:
In einem realen Kriegseinsatz würdest du als Maschinengewehrschütze Menschen mit 300 Schuss die Minute regelrecht zersägen.
Und was passiert, wenn du einen feindlichen Panzer mit der Hohlladung deiner Panzerfaust triffst? Selbst wenn es keine Detonation geben sollte, wird es eine massive Druckwelle im Innenraum des Fahrzeuges geben, tödliche Splitter herumgeschleudert werden, Brände entstehen und dadurch giftige Gase freigesetzt, welche die Besatzung qualvoll zerfetzen, verbrennen oder ersticken.
Als Grenadier, daher der Name, wird im Nahkampf die Handgranate DM51 eingesetzt. Sie hat einen tödlichen Radius von 10 Metern. Sie hat einen Splittermantel mit Sollbruchstellen, um eine maximale Anzahl Schrapnelle in die Gegend zu streuen, die zu grauenvollen Verletzungen und Verstümmelungen führen.
Kannst du dir vorstellen, so etwas in der Realität gegen Menschen einzusetzen? Die Frage lautet: “Kannst du das wirklich?”
Ich habe speziell die Auswirkungen dieser Waffen beschrieben, da es die üblichen Waffen waren, an denen ich als 19-jähriger Wehrdienstleistender beim 5. Panzergrenadierbataillon 212 in Augustdorf im Jahr 2007 ausgebildet wurde.
Wenn die Wehrpflicht wieder eingeführt wird, werden viele Wehrdienstleistende sich dort wiederfinden.
Nach dem Wehrdienst wird man automatisch ReservistIn und kann bis zum 65. Lebensjahr eingezogen und in einen Krieg geschickt werden.
Um dort, wenn nötig, zu töten und zu verstümmeln. Kindern ihren Vater oder ihre Mutter wegnehmen. Eltern, ihre Söhne und Töchter. Menschen, ihre Liebsten rauben.
Und auch wenn man selbst körperlich unbeschadet überleben sollte, wird man sicherlich nie wieder derselbe Mensch wie vorher sein.
Wollt ihr all dem entgehen, dann müsst ihr euren Kriegsdienstverweigerungsantrag stellen.
Und zwar jetzt und nicht erst, wenn sie euch diesen scheinheiligen Fragebogen schicken, mit dem sie irgendeine Freiwilligkeit vorgaukeln, bevor im nächsten Schritt die Bedarfs-Wehrpflicht kommt. Einerseits dient der KDV- Antrag somit eurem eigenen Schutz. Andererseits ist die Kriegsdienstverweigerung auch ein wichtiges politisches Protestmittel, das wir unbedingt gebrauchen sollten.
Denn um den Krieg zu stoppen, muss man ihm die Mittel entziehen. Soziale Aktivisten wie Ammon Hennacy konnten noch die Zahlung der Steuern verweigern, wenn diese in die Rüstung flossen, das ist heute nicht mehr möglich.
Wir können aber das menschliche Kriegsmaterial entziehen durch unsere Kriegsdienstverweigerung. Und damit klarstellen: Ihr könnt soviele Panzer bauen und Waffen produzieren, wie ihr wollt. Ihr werdet niemanden finden, der sie bedient.
Im Vergleich mit mir, haben die meisten sogenannten “Ungedienten” es hierbei wesentlich leichter. Denn als ehemaliger Wehrdienstleistender, als sogenannter Reservist, muss man erklären, warum man früher kein Problem damit hatte, Waffen zu bedienen und jetzt plötzlich schon. Dennoch sollten auch die ReservistInnen auf jeden Fall ihren KDV-Antrag stellen.
Die sogenannten “Ungedienten” brauchen lediglich erklären, warum sie es ethisch nicht mit sich vereinbaren können, im Kriegsfall auf jemanden zu schießen.
Darüber hinaus müsst ihr euch für die Kriegsdienstverweigerung mustern lassen. Das klingt paradox, ist aber normaler Bestandteil des Prozedere und sollte euch nicht abschrecken. Denn in der Regel wird der KDV-Antrag von Ungedienten bewilligt.
Bis zur Bewilligung kann es allerdings bis zu einem Jahr dauern. Noch ein Grund, es so früh wie möglich zu erledigen. Schließlich wissen wir nicht, welche Eingriffe in unsere Rechte als nächstes folgen.
Abschließend möchte ich noch folgendes sagen:
Die Bundeswehr dient nicht der Demokratie, der Freiheit oder gar dem Frieden, sondern einzig den ökonomischen und imperialistischen Interessen der herrschenden Klasse.
Aufrüstung dient nicht der Abschreckung irgendeines vermeintlichen Feindes.
Im Gegenteil: Die Gegenseite wird nicht abgeschreckt, sondern aufgeschreckt und dazu gebracht, selbst aufzurüsten und zu überbieten. Vor jedem großen Krieg stand eine massive Aufrüstung und Militarisierung der Gesellschaft.
Gerade in Zeiten des Sozialabbaus und Demokratieabbaus dient die Aufrüstung auch der Absicherung der Staatsmacht und einer Abschreckung nach innen.
Gerade wenn es um Ausdehnung des Zuständigkeitsbereiches der Bundeswehr und die Übernahme von Aufgaben anderer Behörden durch die Bundeswehr geht, müssen wir besonders wachsam sein.
Dass die sogenannten Blaulichtorganisationen, also Feuerwehr, Technisches Hilfswerk, DRK usw., immer enger mit der Bundeswehr kooperieren, ist ein gefährlicher Schritt in die Militarisierung der Gesellschaft.
Hier werden falsche Zusammenhänge künstlich konstruiert, die nicht zusammengehören.
Denn die Aufgaben der einen sind retten, sichern, löschen und schützen.
Die Aufgaben der anderen bombardieren, zerstören und vernichten.
Die Präsenz der Bundeswehr an Schulen führt zur Normalisierung und Legitimation von Gewalt als Mittel in Konflikten.
Stattdessen sollten die Schulen kritisches Denken und zivile Konfliktlösung fördern und für den Ernstfall zivilen Ungehorsam sowie soziale Verteidigung als Alternative zu militärischer Verteidigung.
Wir müssen uns solidarisieren und uns gegenseitig unterstützen, um gemeinsam dem Krieg die Mittel zu entziehen.
Vielen Dank


























